Fachdialog zur Wiederverwendung von Bauteilen am Beispiel der Zuversichtsgemeinde Staaken
Bild: Ev. Kirchengemeinde zu Staaken
Ein Schwerpunkt des Berliner Senats ist der Aufbau einer modernen und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft. So hat das Berliner Abgeordnetenhaus im Juni 2021 das ambitionierte Abfallwirtschaftskonzept (AWK) für 2030 unter dem Leitbild Zero Waste beschlossen. Dieses Konzept fordert den konsequenten Ausbau von Wiederverwendung und Recycling von Stoffströmen, um einerseits ökologische Stoffkreisläufe zu schließen und andererseits um die bisherige immense Ressourcenverschwendung deutlich zu reduzieren.
Im Rahmen der Re-Use Initiative (www.berlin.de/re-use) veranstalteten die Senatsumweltverwaltung und die ev. Kirchengemeinde zu Staaken am 15.Juni 2021 einen Fachdialog zur Wiederverwendung von Bauteilen am Beispiel der Zuversichtsgemeinde Staaken.
Der Abriss einer Kirche bedeutet auch Trauerarbeit. Die Staakener Zuversichtskirche bedeutete nicht nur den Gemeindemitgliedern viel: Das Gemeindezentrum ist ein wichtiger Treffpunkt im Quartier mit Beratungsangeboten, Begegnungszentrum und Café. Doch die Gebäude sind zu klein für den wachsenden Bedarf und außerdem sanierungsbedürftig. Deshalb entschloss sich die Gemeinde zu einem Neubau am gleichen Ort.
Bild: sander.hofrichter planungsgesellschaft mbH, Berlin
Er ist ein Leuchtturmprojekt der Nachhaltigen Erneuerung im Fördergebiet Brunsbütteler Damm/ Heerstraße. Zum neuen Gemeindezentrum werden neben Räumen für die Gemeindearbeit, ein Stadtteil- und Familienzentrum, eine Kita mit 90 Plätzen sowie ein Küchenbetrieb als Ausbildungs- und Inklusionseinrichtung gehören. Mit Mitteln aus dem Programm Nachhaltige Erneuerung wurde dazu 2019 ein europaweiter Architekturwettbewerb mit 20 Teilnehmenden durchgeführt, aus dem das Büro „sander.hofrichter planungsgesellschaft mbH“ in Kooperation mit „Freianlagen.de Landschaftsarchitektur“ als Sieger hervorging. Mit dem Neubau werden die Flächen für Veranstaltungen, offene Angebote und Gruppenarbeit mit Menschen aus der Nachbarschaft enorm erweitert.
Deshalb wandelt die Gemeinde mit Unterstützung der Senatsverwaltungen für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie für Stadtentwicklung und Wohnen die Trauer um das alte Gebäude in etwas Positives und Bleibendes um: Teile der alten Gebäude, die 2022 abgerissen werden, sollen nach Möglichkeit in dem neuen Gebäude wieder verwendet werden.
Bild: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz
Zu diesem Zweck ließ die Gemeinde durch das Architekturbüro ZRS eine Machbarkeitsstudie erarbeiten. Sie diente auch als Grundlage und Handlungsleitfaden für ein zweiwöchiges Sommercamp, in dem Freiwillige unter Anleitung von Andrea Klinge, die die Studie angefertigt hat, wertvolles Material, Einbauten, Möbel und Einrichtungsgegenstände ausbauten, sicherten und dokumentierten. Darunter waren Fenster und Türen, Heizkörper und Sanitäranlagen, Fensterläden, Gehwegplatten und Regenrinnen. Auf dem abschließenden Sommerfest am 18. Juli wurden beim Verkauf von Möbeln und Einrichtungsgegenständen über 1.000 Euro eingenommen, aber der Verkauf geht auf der Website weiter und soll vor allem über die Baustoffbörse Restado online noch einiges einbringen. Außerdem gebe es noch "so viel rauszuholen", wie Heike Holz, die Geschäftsführerin der Gemeinde sagt. Angedacht ist deshalb ein zweites Camp im Herbst.
Bild: ZRS Architekten
Die Freiwilligen, darunter Junge und Ältere, Menschen mit deutscher oder anderen Muttersprachen, christlichen oder anderen Glaubens, erlebten, wie schwierig sich so ein Vorhaben in der Praxis gestalten kann: Die schönen Solnhofer Bodenplatten aus der Kirche, die härtesten Kalksteinplatten Europas, waren zu fest miteinander verbunden, sodass das meiste der 320 Quadratmeter zu Bruch ging. Zwölf Tonnen CO2 könnten bei der Wiederverwendung aller Platten theoretisch eingespart werden, hatte die Architektin errechnet – nun sollen es wenigstens 1,5 Tonnen sein für 40 Quadratmeter, die in der neuen Kapelle hoffentlich eingebaut werden. Und auch die farbige Kirchenfenster des Künstlers Alfred Roß sollen natürlich als Teil der Identität des Ortes wieder verwendet werden.
Einen besonderen Blick auf das Thema und seine praktische Umsetzung im Sommercamp zeigt der ebenfalls ehrenamtlich von Julia-K. Pearson produzierte knapp 9-minütige Film zu dieser enorm ressourcenschonenden Aktion, bei der viele Freiwillige durch den sorgsamen Abbau des alten von Anfang an das neue Gebäude mitgestalten.
Bild: ZRS Architekten
Die Initiative nimmt in gewisser Weise einen demnächst zu erwartenden Beschluss des Berliner Senats vorweg: Um die bisherigen Ressourcenverschwendung im Bausektor zu beenden, muss danach der Rückbau von öffentlichen Gebäuden selektiv erfolgen. In einem Rückbaukonzept soll jeweils detailliert ermittelt werden, wie die Wiederverwendung von Bauteilen und Einrichtungsgegenständen gesichert wird. Daher plant die Senatsumweltverwaltung den Aufbau eines Baumarktes für gebrauchte Bauteile.
Mehr als 80 Interessierte nahmen an der Veranstaltung teil. Neben dem Vortrag über die Machbarkeitsstudie zur Wiederverwendung am Beispiel der Zuversichtskirche von Andrea Klinge vom Büro ZRS Architekten und der Projektvorstellung von Heike Holz gab es Vorträge zu den Erfahrungen mit der digitalen Wertstoffbörse Restado in Berlin und zum Konzept eines Re-Use Baumarktes der Firma Unnerstall Holzmarketing. Zwei Impro-Theater-Einlagen sorgten noch einmal für einen besonderen Blick auf das Thema.
Stand: Juli 2021
Kontakt
- Blank, Rainer
- Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
- Tel.: 030 90173 4793
- Keul, Tobias
- Bezirksamt Spandau von Berlin
- Tel.: 030 90279 2564
- Gebietsbeauftragter Brunsbütteler Damm/Heerstraße
- Wunderlich Stadtentwicklung Berlin GmbH
- Tel.: 030 314 920 0